Dokumentation

Stadtgespräch. Metropolitane Perspektiven #5

Zur Traumatologie der Gegenwart
Serhat Karakayalı (Soziologe, Berlin/Istanbul)

Wir Leben im Zeitalter des Traumas. Um traumatisiert zu sein, müssen wir selbst nichts Schreckliches erlebt haben. Oft reicht es aus, einen Bezug zu der Gruppe der Betroffenen zu haben, sei es durch Verwandschaft oder Identität. Traumatisiert zu sein stellt eine Art von kollektiver Identität her, die mit affiliativen Formen der Erinnerung arbeitet. Trauma verbindet und stiftet Geschichte. Die Erinnerung operiert in Wirklichkeit jedoch entlang der Bedürfnisse und Begehren der Gegenwart. Welche Formen politischer und sozialer Subjektivität ermöglicht der Verweis auf ein Trauma? Im urbanen Raum treffen dabei zwei gegenläufige Momente aufeinander: Einerseits wird der städtische Raum zum Medium historischen als eines nationalen Erinnerns – etwa durch Gedenktafeln und Stolpersteine – andererseits treffen insbesondere in Metropolen transnationale Geschichten und Traumata aufeinander und kämpfen um Anerkennung. Der Migrationsforscher und Aktivist Dr. Serhat Karakayalı ist eingeladen, die Traumatologie des aktuellen europäischen Rassismus und dessen kulturelle Folgen zu analysieren.

Dr. Serhat Karakayalı (geb. 1971 in Duisburg) war Mitarbeiter im Forschungsprojekt Transit Migration und Projektleiter von amira. Aktuell arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrbereich Diversity and Social Conflict an der HU Berlin mit Schwerpunkt Geschichte und Gegenwart illegaler Einwanderung, Praktiken und Medien der Solidarität in der Migrationsgesellschaft und Transformation von Integrationspolitiken. Zuletzt erschienen von ihm u.a. Gespenster der Migration. Zur Genealogie illegaler Einwanderung in der Bundesrepublik Deutschland (2009) und der Reader Colonial Modern – Aesthetics of the Past, Rebellions for the Future (zusammen mit Tom Avermaete und Marion von Osten) (2010).