Dokumentation

Stadtgespräch. Metropolitane Perspektiven #8

Mittwoch, 25. März 2015, 19 Uhr
Let’s initiate!
Denknotiz von Christoph Twickel (Journalist, Hamburg)

Im Zeitalter der Partizipation bekommt die Figur der Anwohnerin bzw. des Anwohners ein neues politisches Gewicht. Zum einen gibt es inzwischen kaum ein Stadtentwicklungsprojekt, bei dem die Investoren, Behörden und Politiker nicht das Wohlwollen der Nachbarschaft intensiv herbeizuführen versuchen. Zum anderen setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Anwohnerinitiative eine effektive Form des stadtpolitischen Lobbying sein kann. Ein von Alkoholikern und Sexarbeiterinnen gesäuberter Hansaplatz, eine Seilbahn zu den Musical-Theatern, ein begrünter Bunker für St. Pauli: Vermehrt ahmen die Initiatoren von ordnungspolitischen oder kommerziellen Projektentwicklungen Strategien von nachbarschaftlichen Graswurzel-Initiativien nach. Umgekehrt müssen sie sich auch an der moralischen Ökonomie des partizipatorischen Vorgehens messen lassen.

Wie damit umgehen, dass das „Von-unten“ in Wahrheit ein „Von-oben“ ist? Diese Entlarvung gehört seit jeher zum Repertoire der politischen Linken, die umgekehrt in dem Selbstverständnis verharrt, dass alles, was außerparlamentarisch und links ist, ohnehin Street Credibility hat. Tatsächlich sind Recht-auf-Stadt-Initiativen der Kritik ausgesetzt, dass sie nicht die Betroffenen repräsentieren (z. B. Essohäuser-Initiative) oder dass sie den Distinktionsgewinn, den die Protestpose verschafft, auf ihre Kulturprodukte umlenken (z. B. Not in our Name, Marke Hamburg).

Christoph Twickel, Autor u. a. von GENTRIFIDINGSBUMS oder Eine Stadt für alle (2010), hat die Hamburger Recht-auf-Stadt-Bewegung als Journalist begleitet. Er ist Mitbegründer und Sprecher der Initiative Not In Our Name. Marke Hamburg, die sich gegen eine von aggressivem Städtemarketing forcierte Eventisierung und Segregation des städtischen Raums einsetzt.