Dokumentation

Stadtgespräch. Metropolitane Perspektiven #9

Mittwoch, 8. April 2015, 19 Uhr
Club der Marinauten: Die Logik der Kreuzfahrt durchkreuzen

Sibylle Peters (Künstlerin, Kulturwissenschaftlerin)

In deutscher Sprache

Die See ist der wichtigste Lebensraum und das Sinnbild des blauen Planeten. Sie trägt die Schifffahrtswege, die Ströme der Dinge, sie ist Fluchtweg der Verzweifelten und Jagdgrund der Piraten, Müllhalde und Urlaubsparadies, Lebensraum unentdeckter Arten und Grab vergangener Zivilisationen. Seit den 1960er Jahren entwickelt sich – zunächst mit kleinen Einzelaktionen – die Shipping Art. Mittlerweile gibt es auf allen Ozeanen Marinautinnen und Marinauten, die klandestine Handelsrouten befahren, Boote aus Geschichten bauen und Freistaaten auf schwimmenden Inseln gründen. Zugleich sind immer mehr Reisende auf immer größeren Schiffen unterwegs, die die Realitäten des Meeres in Wellness- und Konsumlandschaften vergessen lassen. Die Kreuzfahrtindustrie boomt und ihr Hauptquartier ist Hamburg. Tausende von Kulturschaffenden kämpfen auf den Bühnen der Tourismusflotte gegen die Langeweile an, die die UrlauberInnen auf diesen Reisen befällt. Club der Marinauten – entwickelt und gegründet von der geheimagentur Hamburg –,tritt an, um diese Situation umzukehren: In der Tradition der Shipping Art entwickelt der Club Visionen einer neuen Reisekultur, die die Logik der Kreuzfahrt durchkreuzt. Im Sommer 2015 wird der Club im Hamburger Hafen Quartier beziehen: „Dort sehen wir die Stadt täglich von Weitem. Wir sehen wie der Strom und die Wasserstraßen, der Geruch nach Malz und die Zoll-Patrouillen sich kreuzen. Und plötzlich spiegelt sich die Stadt an sich selbst und wird genau dies, dieses Grenzland, in dem wir alle Migranten sind, dieses zerstreute Hineinragen in den Ozean. Und alles andere ist nur noch Kulisse.“


Dr. Sibylle Peters leitet das Forschungstheaterprogramm im Fundus Theater Hamburg. Als Performerin und Regisseurin hat sie zahlreiche Projekte realisiert – u. a. mit der geheimagentur. Im Graduiertenkolleg Performing Citizenship ist sie Leiterin des Teilbereichs „Kulturelle Bildung und Forschung“.